VKE - Verband der Vertriebsfirmen Kosmetischer Erzeugnisse e.V.
Update Vertriebsrecht
Ausgabe II, 2020

Update Vertriebsrecht

Nach Pierre Fabre, Coty und Guess und vor der Modernisierung der Vertikal GVO – welche Gestaltungsmöglichkeiten bietet der Selektivvertrieb den Herstellern

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Bernd Weichhaus, Lubberger • Lehment, Berlin

Dr. Bernd Weichhaus
Dr. Bernd Weichhaus

Im Mai 2022 läuft die Geltungsdauer der Europäischen Vertikal-Gruppen-Freistellungsverordnung (Vertikal-GVO) ab. Hierbei handelt es sich um den gesetzlichen Rahmen für das Vertragsverhältnis zwischen Hersteller und Händler.

Die letzte Fassung stammt aus dem Jahr 2010 und berücksichtigt nur unzureichend die aktuellen Entwicklungen des Internet-Vertriebsrechts. Durch die Unklarheiten des gesetzlichen Rahmens hat es bereits zahlreiche rechtliche Auseinandersetzungen gegeben. Sowohl Hersteller als auch Handel schauen gespannt auf die neue Verordnung. Anfang nächsten Jahres ist mit ersten Vorschlägen der EU-Kommission zu rechnen.

Dies sind die wichtigsten Themen für Hersteller und Handel, über die auch im Gesetzgebungsverfahren diskutiert wird:

Depotkosmetik: Stationärer Handel als Ausgangspunkt

Der BGH hat bereits 2004 in der Entscheidung „Depotkosmetik im Internet“ entschieden, dass Hersteller in den selektiven Depotverträgen von den Händlern verlangen können, dass die Händler mindestens ein stationäres Ladengeschäft betreiben. Die EU-Kommission hat 2010 ausdrücklich bestätigt, dass der Hersteller das Erfordernis eines stationären Ladengeschäfts in die Autorisierungsvoraussetzungen aufnehmen kann. Zuletzt hat die EU-Kommission 2017 in dem Abschlussbericht über die Sektorenuntersuchung zum elektronischen Handel bestätigt, dass diese Klauseln zulässig sind, wenn sie – wie regelmäßig im Fall der Depotkosmetik – zur Qualität des Vertriebs und zum Erhalt des Markenimages eingesetzt werden. Damit bleibt der Ausschluss reiner Internethändler möglich.

Zulässigkeit des Internetvertriebs

Der EuGH hat im Jahr 2011 in der Entscheidung „Pierre Fabre“ festgestellt, dass ein Totalverbot des Internetvertriebs kartellrechtswidrig ist. Das selektive Vertriebssystem von Pierre Fabre sah vor, dass bestimmte Kosmetika nur in einem physischen Raum und in Anwesenheit diplomierter Pharmazeuten verkauft werden konnten. Dieses Erfordernis führte faktisch dazu, dass die autorisierten Händler die Pierre Fabre Produkte nicht über das Internet vertreiben konnten.

Diesen Ausschluss eines Vertriebskanals sah der EuGH als kartellrechtswidrig an. Etwas missverständlich begründete der EuGH die Kartellrechtswidrigkeit damit, dass das faktische Totalverbot nicht zum Schutz des selektiven Vertriebssystems von Pierre Fabre erforderlich war.

Plattformverbot

Der EuGH hat 2017 in der Coty-Entscheidung zunächst die durch die Pierre Fabre-Entscheidung aufgeworfenen Zweifel an der Kartellrechtskonformität von selektiven Vertriebssystemen für Luxuswaren ausgeräumt: Das Gericht hat die langjährige Verwaltungspraxis der Kartellbehörden und die Entscheidungspraxis der Gerichte bestätigt, wonach der Vertrieb der Luxusprodukte durch Händler zum Erhalt des hochwertigen Markenimages von der Erfüllung von Qualitätskriterien im Rahmen eines selektiven Vertriebssystem abhängig gemacht werden kann. Der EuGH hat außerdem die Rechtmäßigkeit von Qualitätskriterien bestätigt, die zur Qualitätswahrung zu einem Ausschluss des Vertriebs über Drittplattformen führen können. In der Folgezeit gab es sowohl von der EU-Kommission als auch vom OLG Hamburg positive Signale dahingehend, dass wirksame Plattformausschlüsse nicht nur für selektive Vertriebssysteme mit Luxusprodukten möglich sind. Dies bedeutet, dass die Einstufung eines Kosmetikprodukts als Luxusprodukt nicht zwingend Voraussetzung für die Frage der Zulässigkeit von Qualitätsvorgaben im Internetvertrieb ist.

Umgang mit Preissuchmaschinen

Das Bundeskartellamt hat es in einer Entscheidung über das selektive Vertriebssystem des Sportartikel-Herstellers ASICS als kartellrechtswidrig angesehen, wenn den autorisierten Händlern per se die Nutzung von Preissuchmaschinen untersagt wird. Die EU-Kommission hat allerdings 2017 in der Sektorenuntersuchung zum elektronischen Handel Beschränkungen zur Verwendung von Preissuchmaschinen, die auf objektiven Kriterien beruhen, als nicht kartellrechtswidrig eingestuft. Als solche Kriterien kommen u.a. Anforderungen an Produktpräsentation und Layout, Domainname der Preissuchmaschine oder Funktionalität des Portals in Betracht.

Werbevorgaben für Händler zum Imageschutz

Der Händler allein entscheidet, zu welchen Preisen er die Produkte vertreibt. Regelmäßig unternimmt der Hersteller allerdings erhebliche Anstrengungen zum Aufbau einer hochwertigen Marke. Zum Schutz dieses Images kann der Hersteller von den Händlern als Lizenznehmern der genutzten Marken verlangen, auf verramschende Werbeformen zu verzichten. Der Händler darf daher z. B. nicht den Eindruck eines Discountmarktes ohne hochwertige Beratung vermitteln. Deshalb sind u.a. die Verwendung von discounttypischen Werbeformen wie „Rabatt“ oder „Discount“ oder auffällige Streichpreise von einem zulässigen Werbeverbot erfasst.

Markenrechtskonforme Nutzung in der Suchwortwerbung

Die Kartellbehörden haben sowohl in dem Verfahren gegen ASICS als auch in einem Verfahren gegen den Bekleidungshersteller Guess entschieden, dass ein pauschales Verbot der Nutzung von Marken als Schlüsselwörter kartellrechtswidrig ist. Die Kartellbehörden und der EuGH haben mehrfach hervorgehoben, dass es dem Händler möglich sein müsse, im Internet auffindbar zu sein. Eine Grenze ist allerdings dann erreicht, wenn der Händler in markenrechtsverletzender Weise Werbeanzeigen im Internet schaltet.

Ausblick auf die Modernisierung der Vertikal-GVO

Der bisherige Gesetzestext ist gerade in dem schnelllebigen Bereich des Internetvertriebs zum Teil unklar. Es ist daher davon auszugehen, dass die neue Vertikal-GVO präzisere Leitplanken für die zulässigen Qualitätsvorgaben setzt. Dies betrifft zum einen die bereits von der Rechtsprechung geprägten Anforderungen an den Ausschluss von Plattformen und Preissuchmaschinen.

Diskutiert wird auch die Möglichkeit des Herstellers, durch sog. Doppelpreissysteme den deutlich kostenintensiveren Vertrieb der Händler über stationäre Ladengeschäfte zu fördern, der zu einer stärkeren Markenprägung führt als der für den Händler günstigere Vertrieb im Internet.

Um Trittbrettfahrer zu vermeiden wird auch darüber diskutiert, ob Preisfestsetzungen auch außerhalb der bisher schon zulässigen zeitlich befristeten Preisfestsetzung für Neuheiten in anderen Konstellationen zulässig sein könnten. Schließlich fehlt es bisher an einem den Gegebenheiten des Internetvertriebs angepassten und nachvollziehbaren Rahmen für die Unterscheidung zwischen aktivem und passivem Vertrieb: Nach der derzeitigen Lage ist der Betrieb einer Internetseite passiver Vertrieb und kann grundsätzlich vom Hersteller nicht eingeschränkt werden. Diese grundsätzliche Differenzierung berücksichtigt allerdings zu wenig, dass eine Internetseite nicht wie eine Insel im Internet schwebt, sondern erst durch vielfältige Aktivitäten des Betreibers der Internetseite lebendig wird. Zum Schutz des aufgebauten Markenimages müssen gesetzliche Regeln dem Hersteller die Möglichkeit eröffnen, dem Depositär klare Grenzen aufzuerlegen.




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