Der Multi-Channel-Vertrieb zählt fraglos zu einer der gravierendsten Entwicklungen im Handel überhaupt. Laut „IFH-Branchenreport Online-Handel 2014“ betrug der Umsatz der Multi-Channel-Händler in Deutschland rund 15 Mrd. Euro. Schätzungen zufolge wird sich dieser Wert bis 2020 mit etwa 31 Mrd. Euro mehr als verdoppeln und auf rund 42 % Anteil am gesamten Online-Handel ansteigen.
Die klassischen stationären Händler begreifen den Online-Handel längst nicht mehr als bloße Gefahr für ihr Geschäft, sondern als Chance, um Umsätze zu generieren und Kunden zu gewinnen bzw. diese zu binden. Ihre Produkte bringen sie daher verstärkt über mehrere Kanäle in den Verkauf. Online und Offline werden miteinander kombiniert. Doch die alleinige Verzahnung der Verkaufskanäle garantiert nicht automatisch Erfolg.
In der „Personal Care 2020“-Analyse für den Kosmetikmarkt der Zukunft haben das IFH Köln, KPMG und der VKE-Kosmetikverband dargestellt, wie die ständige Verfügbarkeit des Internets für die Verbraucher einen fast uneingeschränkten Zugang zu Vergleichsmöglichkeiten schafft. Beim Shoppen können sie jederzeit herausfinden, ob es das gewünschte Produkt im Internet irgendwo günstiger gibt oder welche Alternativen dazu angeboten werden.
KOMMENTAR:
Martin Ruppmann,
Geschäftsführer VKE Kosmetikverband
und Fragrance Foundation
Um die Kunden allerdings nachhaltig zu überzeugen und somit zu halten, braucht es jedoch den entscheidenden Tick mehr an Differenzierung: Die Händler müssen die Wünsche ihrer Kunden wirklich kennen bzw. nachvollziehen können.
Sie müssen über exklusive, selektive Marken verfügen und den Konsumenten neben dem perfekten, sinnvollen Service auch ein echtes, unmittelbares, einzigartiges Einkaufsambiente bieten.
Denn das pure Einkaufserlebnis ist und bleibt von besonderer Bedeutung: Lage und Atmosphäre in den Geschäften sind laut ServiceAtlas Online-Shops 2014 weiterhin die höchsten Kundenbindungstreiber. Durch die geschickte Inszenierung von Marke, Exklusivität und kundenzentrierter Dienstleistung schaffen die Händler einen besonderen Rahmen, den es im Netz so nicht gibt.
Bei einer Umfrage des VKE und TNS-Infratest im Mai 2016 gaben 28% der Frauen an, dass sie außerordentlich bzw. sehr gern vor Ort in Parfümerien einkaufen.
Online-Shops hingegen bieten Händlern und Kunden eine 24/7-Erreichbarkeit. Durch Apps, personalisierte Newsletter und soziale Netzwerke werden Werbung und Kommunikation mit den Kunden intensiviert. Doch der Konsument erwartet nicht nur im stationären Handel ein markengerechtes Einkaufserlebnis – auch Online wird ein qualitativ hochwertiger Inhalt geschätzt: Neben einer benutzerfreundlichen Oberfläche müssen ausführliche Produktinformationen, authentische Kundenrezensionen oder beispielsweise Videotutorials und Beratungstools zum Verweilen und Befassen mit den Produkten einladen.
Bei entsprechendem Angebot können sich laut „Zukunftsstudie Handel 2036“ 42 % der Männer und jede dritte Frau ein gemeinsames Online-Shopping mit Freunden sehr gut vorstellen. Der „Omnichannel-Statusbericht 2016“ rät zu einer einheitlichen Gestaltung der Integration von Online und Offline. Dem Kunden soll ein kongruentes, überzeugendes Bild vom Handelsunternehmen geboten werden. Wer seine Produkte sowohl Online als auch Offline anbietet, verringert so das Risiko, dass Kunden auf dem Weg von der Entscheidungsfindung zum Kauf verloren gehen.
Trotz oder gerade wegen E-Commerce und Online-Welten: Der stationäre Handel bleibt weiterhin von signifikanter Relevanz für die Kundenbindung.
So gaben rund die Hälfte aller Konsumenten bei der „Total Retail“-Studie von PWC im Jahr 2014 an, dass sie, wenn der Stammhändler die nächstgelegene Filiale schließe, ihren Einkauf in der nächsten Filiale des Händlers tätigen. Nur 37 % wollten ihre Einkäufe komplett auf den Webshop des Händlers verlegen.
Für die Fachhändler in unserer Branche bedeutet dies schlussendlich, noch konsequenter die Stärken von Online- und Offlinehandel zu verbinden. Heißt: Auf der Basis einer gelungenen Präsentation von Marke, Service und Exklusivität im Shop gilt es, den Kunden die Möglichkeit zur aktiven Interaktion zu geben, um sie in der realen, aber auch der virtuellen Welt abzuholen.